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Maria Volkermann
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Poesie von gestern

 

Mein Poesiealbum verwahre ich wie einen Schatz. Ich bekam es 1960 zu meinem 9. Geburtstag von einer Mitschülerin geschenkt, natürlich mit einem passenden Spruch und bunten Abziehbildchen. „Froh und heiter sei Dein Leben, von Glück und Freude stets umgeben.“ Ein schöner Geburtstagswunsch.

Nach und nach verewigten sich meine Freundinnen, Mitschülerinnen und Mitschüler darin, fast immer in Schönschrift, auf die in der Schule großen Wert gelegt wurde. Mein Schönschreibheft habe ich bis heute aufgehoben, und auf eine deutliche Handschrift achte ich immer noch, wie fast alle Menschen meiner Jahrgänge.

Meine Grundschullehrerin, die für unsere schöne Schrift gesorgt hat, schrieb mir diesen Spruch auf die zweite Seite: „Sage nicht alles, was Du weißt, aber wisse immer, was Du sagst.“ Sie kannte mich gut, ich war oft zu spontan in meinen Äußerungen. Bin es manchmal noch immer!
In der letzten Zeit nehme ich das rote Kunstlederalbum immer mal wieder in die Hand und stelle mir die Gesichter der Mädchen und Jungen vor, die sich darin eingetragen hatten. Einige sind schon nicht mehr am Leben, von den meisten habe ich seit der Schulzeit nichts mehr gehört.

Meine Freundin aus Kindertagen beschwerte sich neulich über den Spruch, den ich in ihr Album geschrieben hatte: „Wir sind nicht auf der Welt, um zu genießen und glücklich zu sein, sondern, um unsere Schuldigkeit zu tun.“

Nur seine Schuldigkeit zu tun und keinen Genuss und kein Glück zu verspüren, das kann nicht der Sinn des Lebens sein. Sicher hatte meine Mutter den Spruch ausgewählt. Sie empfand ihr Leben da vielleicht gerade so: Mit 14 den Haushalt des Vaters führen, weil die Mutter gestorben war, die Plackerei auf der Kate, die Ablehnung des Schwiegervaters, keine Entlastung bei der Kindererziehung. Es gab da bestimmt viele Gründe, um unglücklich zu sein. Ganz sicher war sie es nicht zu jeder Zeit, es gibt immer Augenblicke voller Glück, für jeden Menschen.

Es war in den 50er und 60er Jahren noch so eine Zeit, da sollten Frauen und Mädchen bescheiden sein, sich nicht in den Vordergrund stellen, viele häusliche Pflichten übernehmen und keinen Dank erwarten. Somit wurden Karrieren schon im Keim erstickt. Wir sollten im Verborgenen blühen, zwar hübsch anzusehen, aber fromm und gut. Kein Wunder, dass unser größter Wunsch für das Leben war, eine Familie zu gründen. Die weite Welt zu sehen, einen interessanten Beruf zu ergreifen und finanziell unabhängig zu werden, das kam in unseren Träumen recht selten vor. Viele Mädchen wurden dann von ihrem Familienleben sehr enttäuscht.

„Es ist ein tiefer Segen, der aus dem Werte spricht, erfülle allerwegen getreulich Deine Pflicht.“ Dieser Spruch passt auch in dieses Schema, und Pflichten mussten wir Kinder schon früh übernehmen.
Ich mag diesen Spruch: „ Nur eins beglückt zu jeder Frist, schaffen wofür man geschaffen ist.“ Das passt gut auf mich, denn ich war zufrieden mit meinem Beruf, es hat mich meistens glücklich gemacht, anderen Menschen zu helfen. Verantwortung zu übernehmen macht zufrieden, sich kümmern, etwas in die Wege leiten, vorausschauend handeln und dann den Erfolg sehen, das macht auch glücklich.

Ein Mitschüler schrieb mir ins Album: „Maria, lerne Menschen kennen, denn sie sind veränderlich, die Dich heute Freundin nennen, reden morgen über Dich.“ Ja, Menschenkenntnis musste ich erst noch erwerben und Enttäuschungen verkraften. Das ganze Leben ist eine ewige Schule.
„Arbeite, bete, vertraue auf Gott“, dies stand auf einer Seite, von der Liebe zu sich selbst, sich selber Gutes tun, um glücklich zu sein, stand nichts im Poesiealbum.

Da gefällt mir ein Spruch von Friedrich von Bodenstedt besser: „ Wer glücklich ist, der bringt das Glück und nimmt es nicht im Leben! Es kommt von ihm und kehrt zurück, zu dem, der es gegeben.“
Innige Freundschaften sind neben einem harmonischen Familienleben gut und wichtig für die seelische Gesundheit. Außerdem ist erwiesen, dass gute Sozialkontakte ein langes, erfülltes Leben versprechen. Besonders in diesen schwierigen Pandemiezeiten sollte man danach handeln.

Ich werde gleich mal meine Freundin anrufen, wir sollten wieder Bücher austauschen.

 

Maria Volkermann

 

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